13 Juli 2017, 5 Jahre und 10 Monate fehlst DU uns

 

Hallo Yann,

in 2 Monaten ist der schreckliche Unfall schon 6 Jahre her.

Die Welt verpasst so vieles ohne Dich, und heute drückt es mir extrem schwer auf der Brust. Gestern hat man 3 Stunden lang in der Riviere Baïse Nérac nach einer 87 jährigen Frau gesucht. Die Feuerwehr, Gendarmerie, Taucher und la Police waren erfolglos vor Ort.

Und dann alles kam wieder hoch.

Dein Tod, das Drama, die Schmerzen in meinem Herzen

Ich erlebte es wieder. Ich war wieder darin. Es ist „da“, „wie damals“, auch wenn es so lange her ist, ich war mittendrin.

DU FEHLST ❤ ❤ ❤ ❤

Nun fahre ich Oscar von der Schule abholen und bringe ihn zu seinem Papa. Da darf ich nicht traurig sein. Er freut sich so auf seinen Geburtstag morgen, auch dass deine Tante und dein Cousin am Samstag kommen, und wir alle zusammen am Sonntag feiern.

Werde mir dein Lachen vorstellen, und die ollen Gedanken verjagen.

Ich liebe Dich

 

 

plage océanides capbreton

Mittwoch, 14 September 2011, der Tag danach

Hallo Yannick,

was für ein Aufwachen, Froschähnliche Gesichter, Apathie, Entsetzen und immer wieder diese Hoffnung, nein es ist nicht passiert gestern. Du schreibst mir gleich, und alles ist wie immer.

Und dann dieses Erwachen, es ist doch passiert, deine Schwester und ich machen uns Vorwürfe, warum sind wir nicht ins Wasser gegangen, vielleicht hätten wir dir helfen können. Wir sind sicher, du hättest es gemacht.

Stéphanie kam uns abholen, wir mussten dir Sachen bringen ins Bestattungsunternehmen, du sollst doch hübsch sein im Sarg. Was nehmen wir mit, ich wusste nicht ob die Hose, die ein kleines bisschen eng war, zuging, jetzt in deinem neuen Zustand.

Angekommen bei den Pompes Funèbres des Pins in Saint Vincent de Tyrosse, der nächste Schock. Ein Raum voll mit Gadgets, dem lieben Bruder, dem passionierten Angler, Tafeln, Kunstblumen, man konnte kaum treten. Wir sollten einen Sarg aussuchen.

Kamen in den Raum mit Särgen, der Bestattungsunternehmer fragte mich, was gefällt ihnen ? Ich schrie,  bitte ? Was soll mir hier gefallen, nichts gefällt mir hier für meinen Sohn. Ich sah die Särge und dachte mir, wie sollen deine breiten Schultern da rein passen? 4 Griffe oder 6 Griffe ? Welches Holz ? Von 2 000 € – 10 000 €, jede Kategorie. Ich dachte ich würde durchdrehen. Dann Papiere für die Überführung sollte ich unterschreiben,

15 000 € für deine letzte Fahrt, mir fehlte jegliche Kraft, eine Entscheidung zu treffen. Endlose Telefonate mit Papa. Unterschriften, Papierkram und immer wieder Tränen, Verzweiflung und diese kleine Hoffnung,  dass es nur ein Albtraum war.

Sie sagten mir auch, ich müsste einen Sarg mit einem Fenster wählen, da man ihn in Deutschland nicht mehr öffnen durfte. Nein, das geht nicht, Papa, Caro, Opa, Oma, Madda und all die anderen würden dich doch noch mal sehen wollen, wieder telefonieren mit Papa, Bestattungsunternehmen in Deutschland sagte uns, egal was das Gesetz sagt, wir werden ihn trotzdem öffnen. Das beruhigte mich etwas, da sonst alle nach Frankreich hätten kommen müssen.

Sehen durften wir dich heute noch nicht, du musstest einbalsamiert und geschminkt werden, sie mussten dich mit formaldehydhaltiger, desinfizierender Lösung vollpumpen.

Wir fuhren mit Stéphanie wieder zurück nach Capbreton, der Bürgermeister hatte uns eingeladen und wollte mit uns sprechen. Das war eine ganz tolle Geste, ich muss sagen, man hat sich so um uns gekümmert, ohne ihre Hilfe hätten wir das nicht so geschafft.

Der Bürgermeister sagte mir, ich kann ihnen ihren Sohn nicht zurück geben, aber ich hoffe dass sie die Kraft haben dieses Schicksal zu meistern. Er gab mir das Gefühl, du warst nicht einfach irgendein Tourist in diesem Ort. Du warst ein Surfer und die Stadt trauert um dich. Er bot mir an, am Tag deiner Beerdigung, eine Zeremonie am Meer zu veranstalten, wie auf Hawai, wie die Surfer, Yann ich denke dass dir das gefallen hat.

Danach sind wir wieder ins Appartment, haben eine Flaschenpost gemacht, diese haben wir später ins Meer geworfen. Blumen haben wir gekauft und sind an den Strand. Bild

Das Meer war so ruhig, ganz anders als gestern. Ich war nicht mehr sauer auf das Meer, es war ein anderes Gefühl. Ich sagte mir, du bist gestorben bei deiner Lieblingsbeschäftigung.

Ich konnte dankbar sein dass du keine schwere Krankheit hattest, nicht lange leiden musstest, es war trotz allem nur ein ganz schwacher Trost, ein ganz, ganz schwacher.

Ich habe die Tageszeitung gekauft und musste dort lesen : junger, deutscher Tourist an der Plage Océanides ertrunken. Der Tourist warst du, mein Sohn, noch nie hat mich ein Zeitungsartikel so berührt.